Trauma

  1. Trauma und EMDR
  2. Normale Funktion des Gehirns
  3. Veränderte Gehirnfunktion beim Trauma
  4. Folgen der veränderten Funktionsweise

3. Wie verändern sich die Gehirnfunktionen bei einem Trauma?

Bei einer schweren Traumatisierung kommt es zu einer Entkoppelung wichtiger Funktionsweisen der beiden Hemisphären des Gehirns. Bei PET-Untersuchungen (PET = Positronen-Emissions-Tomographie) an Traumatisierten zeigte sich ein charakteristisches Muster der Gehirnaktivierung: Das Gehirn war während der (fragmentarischen) Erinnerungen an das Trauma im Wesentlichen nur auf der rechten Seite aktiviert. Dabei besonders Regionen, die für die Verarbeitung von emotionalen Informationen, wie Amygdala, die Insula, medialer Temporallappen und der rechte visuelle Kortex. Gleichzeitig kam es zu einer signifikanten Abnahme der Aktivität im Bereich der linken Frontalregion, dem Gebiet um das Broca-Areal, einem Gehirngebiet, das die Übertragung von Erfahrungen in kommunizierbare Sprache leistet. Die linke, überwiegend analytische, sequentiell und kategorial verarbeitende, Worte und Symbole gebrauchende Hemisphäre scheint unterdrückt zu sein, während die rechte, überwiegend nonverbale und ganzheitliche Hemisphäre zentral von Impulsen aus den Strukturen der Amygdala, die emotionale Zustände, wie z.B. Furcht verarbeiten, dominiert zu werden scheint. Traumatische Erinnerungen erscheinen so für die Betroffenen häufig als Erinnerungseindrücke ohne zeitliche Einordnung ("als wenn es gerade passiert") bei einer sich in vielen Fällen nur langsam zurückbildenden Sprachlosigkeit, die häufig Jahre und Jahrzehnte Beschwerden und Symptome verursacht und einer weiteren Verarbeitung nicht zur Verfügung steht, da die Erfahrungen vorsprachlich bleiben.

 Bei einem Trauma scheint die reguläre Informationsverarbeitung, die Verarbeitung und Integration belastender Emotionen ermöglicht, unterbrochen und belastende und fragmentierte Erinnerungen bleiben dort unbearbeitet gespeichert. Diese Erinnerungsfragmente tauchen oftmals als verwirrende Flashbacks in verschiedenen Sinnesmodalitäten auf (z.B. wird Brandgeruch, ausgelöst durch einen Trigger, in einer "unpassenden" Situation wahrgenommen). ebenso wie die häufigen Schwierigkeit von Traumatisierten eine zusammenhängende Geschichte des Ablaufs erzählen zu können.

 Eine gefährliche Situation wird also zunächst in der Amygdala festgestellt; was automatisch ohne Zutun des Großhirns geschieht. Dann werden Hormone wie Glukokortikoide, Adrenalin und Serotonin ausgeschüttet, die den Körper in Alarmbereitschaft versetzen und Energie-Reserven mobilisieren. Innerhalb des Gehirns kommt es nun zu einer Umschaltung des normalen Datenflusses, die die gesamte Funktionsweise des Systems grundlegend ändert: Die Entscheidungsfindung durch den Neocortex wird unterbunden, indem die Verbindungen zwischen Amygdala und Hippocampus unterbrochen werden. Viele Informationen werden dadurch erst gar nicht an das explizite Gedächtnis weiter geleitet, Reaktionen auf die Gefahr werden fast ausschließlich von den impliziten Gedächtnissen gesteuert. Diese Unterbrechung zwischen verschiedenen Gehirnarealen wird auch Dissoziation genannt. Dissoziation bedeutet wörtlich "Scheidung" oder "Trennung"; sie stehen nun nicht mehr miteinander in vollem Kontakt und können teilweise unabhängig voneinander funktionieren. Durch Unterbrechung der Hirnareale wird vor allem die Reaktionszeit sehr beschleunigt, während der Neocortex zu einer angemessenen Bewertung einige Sekunden benötigen würde, deshalb kann Flucht oder Verteidigung sehr viel schneller durchgeführt werden. Während dies früher in Urzeiten einen deutlichen Überlebensvorteil hatte, kann dies bei Traumata wie sexuellem Missbrauch fatale Folgen haben, angesichts der manchmal langen Dauer solcher Traumata.

 Wie man u.a. durch Tierversuche nachgewiesen hat, führen schwere und häufig wiederholte Traumata zu einer dauerhaften Unterbrechung von Nervenverbindungen (insbesondere zwischen Amygdala und Hippocampus) und zu einer nachgewiesenen Schrumpfung des Hippocampus. Der Hippocampus ist bei schwer Traumatisierten nachweisbar kleiner als bei Gesunden, und einige seiner Verbindungen zu den anderen Gehirnteilen sind teilweise unumkehrbar unterbrochen.

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